Mögliche Auswirkungen eines Brexit auf den deutschen Agrarhandel

05.04.2017
Thünen-Institut für Marktanalyse

Als Folge des Brexit steht eine Neuausrichtung der Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich mit der Europäischen Union ganz oben auf der politischen Agenda der britischen Regierung. Hiervon wären insbesondere auch die deutschen Agrar- und Nahrungsmittelmärkte betroffen, für die das Vereinigte Königreich (VK) einen bedeutsamen Handelspartner darstellt. Mögliche Auswirkungen eines Brexit auf die deutsche Agrar- und Nahrungsmittelindustrie zeigt das Thünen-Institut für Marktanalyse in der Studie „Mögliche Auswirkungen eines Brexit auf den deutschen Agrarhandel“ auf.

In dieser Studie wurde zunächst die besondere Bedeutung des Vereinigten Königreichs für den deutschen Agrarhandel beschrieben. Während Deutschland aus Sicht der meisten Handelspartner ein Nettoempfänger von Agrargütern ist, lässt sich für 2016 mit dem Vereinigten Königreich ein deutliches Handelsplus in Höhe von 2,6 Mrd. € feststellen. Bei Fleischprodukten fällt der Überschuss mit ca. 660 Mio. € am größten aus. Diese erste Beschreibung der Handelsdaten legt bereits die Vermutung nahe, dass ein Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU mit weitreichenden Folgen auch für die heimischen Agrarmärkte verbunden wäre. Um die Effekte eines Austritts zu analysieren, wurde mit dem MAGNET-Modell ein Brexit-Szenario simuliert, bei welchem im VK und in den verbleibenden EU27-Staaten die mit den WTO-Richtlinien konformen angewandten Most-Favoured-Nation (MFN)-Zölle eingeführt werden. Die Ergebnisse dieses ,,Extremszenarios‘‘ zeigen, dass der gesamte Außenhandelsumsatz (Importe + Exporte) mit dem Vereinigten Königreich um insgesamt 16,3 Mrd. € sinken würde, wobei der Agrarbereich mit einem Rückgang von 1,8 Mrd. € betroffen wäre. Als Folge würde sich der Agrarhandelsüberschuss mit dem Vereinigten Königreich um 700 Mio. € verringern. Legt man den Fokus auf einzelne Gütergruppen, wird deutlich, dass die heimische Schweine- und Geflügelfleisch- sowie die Milchindustrie zusammen mit den vorgelagerten Lieferbereichen am stärksten von einem Brexit betroffen wären. Durch den Rückgang der Handelsmengen bedingt, sinkt der Produktionswert von Schweine- und Geflügelfleisch um über 2 % und der von Milchprodukten um über 1 %. Dies ist auch mit einer wertmäßigen Verringerung der Schweine- und Geflügelhaltung um ca. 1,5 % sowie mit einem Rückgang der Rohmilcherzeugung von knapp 1 % verbunden.

Weiter zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, dass die Handelseffekte überwiegend im Bereich der verarbeiteten Lebensmittel und weniger im primären Agrarbereich stattfinden. Bedingt durch die Vorleistungsbeziehungen können sich jedoch auch negative Produktionseffekte bei primären Agrargütern äußern. Es bleibe darüber hinaus zu betonen, dass mit der gegenseitigen Einführung von MFN-Zöllen ein Extremszenario unterstellt wurde. Wenn die Austrittsverhandlungen zugunsten von Option eins (VK wird Mitglied im EWR) bzw. Option zwei (Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen EU und VK) ausfallen, was in beiden Fällen mit deutlich geringerer Protektion verbunden wäre, dann ist auch mit entsprechend weniger stark ausgeprägten Effekten im Agrarsektor zu rechnen. Diese Wirkungen zu quantifizieren kann jedoch erst erfolgen, wenn im Laufe der Austrittsverhandlungen konkrete Vorschläge vorliegen, dessen Folgen dann mit dem MAGNET-Modell und anderen Modellen des Thünen-Modellverbunds analysiert werden können.