Positionen

Züchtungsfortschritt, Vielfalt und kontrollierte Qualität für die landwirtschaftliche Praxis

Vermehrungsorganisations-Firmen (VO-Firmen) übernehmen in der Wertschöpfungskette des Produktes Saatgut die Funktion des Bindeglieds zwischen Züchtung und landwirtschaftlicher Praxis. Neue wie auch etablierte Sorten erhalten durch die Arbeit der VO-Firmen und U-VO-Firmen Zugang zum breiten Saatgutmarkt in der Landwirtschaft. Denn durch die Zusammenarbeit zwischen VO-Firmen und bestimmten landwirtschaftlichen Betrieben (Vermehrern) entsteht überhaupt erst eine ausreichende Menge Saatgut, um den Markt zu bedienen. Als Partner der VO-Firmen treten die sogenannten Unter-VO-Firmen auf, die erst durch diese Partnerschaft als (i.d.R.) selbständig agierende Unternehmen ebenfalls berechtigt sind, Saatgut zu produzieren und zu verkaufen, was in enger Abstimmung mit der betreuenden VO-Firma geschieht. An dem gesamten Prozess sind 58 Züchtungsunternehmen mit eigenen Zuchtprogrammen, 35 VO-Firmen, 150 U-VO-Firmen und 3000 Getreide-Vermehrungsbetriebe beteiligt. Potentielle Abnehmer des Produktes Saatgut sind etwa 285.000 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland.

Im Verbund mit den Pflanzenzüchtern und den Saatgutvermehrern haben die VO-Firmen Anteil an der herausragenden Leistungssteigerung und Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft in den vergangenen Jahren. Die VO-Firmen tragen zur Verbreitung des züchterischen Fortschritts in Form höherer Erträge, besserer Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge, verbesserter Verarbeitungseignung und Qualität der landwirtschaftlichen Sorten bei.

Züchterlizenzen und Lizenzsysteme in Europa

VO-Firmen übernehmen in der Wertschöpfungskette des Produktes Saatgut die Funktion des Bindeglieds zwischen Züchtung und landwirtschaftlicher Praxis. Neue wie auch etablierte Sorten erhalten durch die Arbeit der VO-Firmen und U-VO-Firmen Zugang zum breiten Saatgutmarkt in der Landwirtschaft. Dieser Markt ist in erster Linie ein nationaler Markt. Doch auch VO-Firmen agieren in einem zunehmend europäischen Saatgutmarkt mit dem Prinzip des freien Warenverkehrs. Neben vielen anderen Faktoren spielen in diesem Zusammenhang auch die Lizenzgebühren der Pflanzenzüchter eine nicht unbedeutende Rolle. Entsprechend rechtlicher Grundlagen vergeben die Züchter ihre Rechte, also Lizenzen, zur Produktion und zum Vertrieb ihrer Sorten an ihre Vertragspartner, die VO-Firmen, und stellen ihre Sorten zur Verfügung. Diese „Nutzungsgebühren“ müssen von den VO-Firmen bei jeder verkauften Dezitonne Saatgut abgeführt werden. Problematisch wird die Situation für VO-Firmen, wenn sich die Höhe der Lizenzgebühren in Deutschland und beispielsweise Dänemark für dieselbe Sorte stark unterscheidet. Es kommt vor, dass die Lizenzgebühr für eine Sorte in Nachbarländern nur halb so hoch ist, wie in Deutschland. Diese Sorte ist im direkten Nachbarland also günstiger zu produzieren und gelangt womöglich als konkurrierende Ware in den deutschen Markt. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Qualitätsanforderungen an Saatgut in Deutschland bei zum Beispiel Weizen höher sind als die EU-Norm. Das kann im Zweifel zu Wettbewerbsverzerrungen führen und wird auch den hohen Qualitäts- und Leistungsgedanken der VO-Firmen in Deutschland nicht gerecht. Dementsprechend plädiert der BVO für Gleichheit der Produktionsbedingungen, egal wo das Saatgut produziert wird. Letztendlich hat es jeder einzelne Züchter mit der freien Festsetzung der Höhe der Lizenzgebühren für seine Sorten in der Hand.

Einsatz von Z-Saatgut und Nachbausaatgut

Der BVO bekennt sich klar zur Erhebung und Zahlung der Nachbaugebühren im Sinne der Erhaltung und vor allem des Fortbestandes der mittelständisch geprägten Züchterlandschaft in Deutschland. So wichtig eine gerechte Erhebung und konsequente Zahlung der Nachbaugebühren für die mittelständische Züchterstruktur in Deutschland sind, so gering ist der Effekt einer gerechten Nachbaulösung allerdings auf die Struktur und die Wirtschaftlichkeit der VO-Firmen und U-VO-Firmen als Partner der Pflanzenzüchter. Der BVO legt den Fokus in erster Linie auf den Saatgutwechsel, wieviel professionell produziertes Saatgut also im Vergleich zu eigenem Nachbausaatgut ausgesät wird. Für Getreidesaatgut schwankt der Anteil des Einsatzes von professionell produziertem Saatgut seit Jahren zwischen 50 – 56 Prozent.

Allgemein sind es vor allem Ertragssicherheit, Pflanzengesundheit, Verfügbarkeit und Qualität von Saatgut, die für die Entscheidung des Landwirts für oder gegen Nachbau eine entscheidende Rolle spielen. Je nach Region Deutschlands erfahren die Gründe aber durchaus eine sehr unterschiedliche Gewichtung. Während zum Beispiel die Verfügbarkeit von Saatgut im Norden bei den sehr kleinen Aussaatfenstern eine ganz zentrale Rolle spielt, ist es im Rheinland eher die Qualität. Ungeachtet dessen muss sich jeder landwirtschaftliche Betrieb immer darüber bewusst sein, dass der Einsatz von Z-Saatgut und auch die Sortenwahl zum Erhalt der VO-Landschaft und auch der mittelständisch geprägten Züchterlandschaft beitragen. Wer sich dessen nicht jedes Jahr bei der Entscheidung selbst Nachbau zu betreiben oder Z-Saatgut zu kaufen bewusst ist, der findet sich irgendwann womöglich in Strukturen wieder, die er selbst nicht befürwortet. Als Saatgutverbraucher haben es die Landwirte also zu einem Großteil selbst in der Hand. Der BVO setzt sich dafür ein, dass die Landwirte neben Verfügbarkeit und Qualität auch andere, wichtige Merkmale von Z-Saatgut wahrnehmen. Allem voran der Erwerb von züchterischem Fortschritt und auch Sicherheit in Form von Reklamationsmöglichkeiten mit entsprechendem Service inklusive. Und wer ehrlich rechnet, der stellt schnell fest, dass sich die Investition in Z-Saatgut im Vergleich zum Arbeits- und Materialaufwand bei eigenem Nachbau absolut lohnt.

Aufbereitung von Nachbausaatgut

Der BVO bekennt sich klar zur Erhebung und Zahlung der Nachbaugebühren im Sinne der Erhaltung und vor allem des Fortbestandes der mittelständisch geprägten Züchterlandschaft in Deutschland. Der BVO befürwortet ebenso die freiwillige Auskunftserteilung seitens der Aufbereiter über die aufbereiteten Mengen und Sorten an Nachbausaatgut an den Sortenschutzinhaber (i.d.R. vertreten durch die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH, STV) – und zwar im Sinne der Saatgutwirtschaft. In diesem Sinne rät der BVO bei Aufbereitung von Nachbausaatgut,

  1.  alle in der Praxis umsetzbaren Maßnahmen zu treffen, um Kenntnis von der Sortenbezeichnung zu erlangen,
  2.  freiwillig über die aufbereiteten Mengen und Sorten gegenüber dem Sortenschutzinhaber Auskunft zu erteilen und
  3.  die Kunden bei freiwilliger Auskunftserteilung darüber zu informieren.

Qualität der Saatgutbehandlung

Aktuell besteht eine gewisse Gefahr, dass einzelne Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen und somit entsprechend auch die fertig formulierten Beizmittel durch neue bzw. noch zu erwartende Hürden bei der (Wieder-)Zulassung wegfallen. Beispiel hierfür sind die Mitte Juni 2016 seitens der EU-Kommission vorgelegten Kriterien zur Bestimmung hormonschädlicher Substanzen, sogenannter endokriner Disruptoren. Je nach Auslegung dieser Kriterien wären wichtige Wirkstoffe aus dem Segment der fungiziden Getreidebeizung betroffen. Natürlich unterstützt der BVO alle Bemühungen für ein hohes Niveau des Gesundheits- und Umweltschutzes. Allerdings plädiert der BVO dafür, anstelle eines reinen gefahrenbasierten Ansatzes, die Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften auf Basis eines risikobasierten Konzeptes vorzunehmen.Generell wird die wohl größte Herausforderung für die Zukunft der Beizung wahrscheinlich in der Zulassung liegen. Die Risikobewertung wird immer strenger, umfassender und auch zeitintensiver, die Behörden verfolgen hier eine aus Sicht des BVO nicht nachvollziehbare Nullrisikopolitik. Diese Vorgehensweise mündet in teilweise praxisfernen Annahmen im Rahmen der Zulassung, die dann wiederum zu einem verzerrten Bild der Getreidebeizung in der öffentlichen Wahrnehmung führen. Deshalb setzt sich der BVO gemeinsam mit der gesamten Wertschöpfungskette des Produktes Saatgut für den Erhalt der Beizung als vorzüglichere, umwelt- und anwenderschonende Behandlungsmethode ein. Die Beizung ermöglicht eine sehr gezielte Platzierung des Pflanzenschutzmittels bei gleichzeitig deutlich niedrigeren Aufwandmengen gegenüber der Flächenanwendung. Hinzu kommt, dass die Saatgutbehandlung zur Bekämpfung von samen- und bodenbürtigen Krankheiten unersetzlich ist. 

Ein Beispiel für die fachlich und sachlich nicht nachvollziehbare Nullrisikopolitik ist die am 25. Mai 2013 veröffentlichte Durchführungsverordnung (EU) Nr. 485/2013. Die Kommission war zu dem Schluss gelangt, dass sich ein hohes Risiko für Bienen nur dadurch ausschließen lässt, dass weitere Beschränkungen eingeführt werden. Daher war es laut der EU-Kommission angezeigt, die Anwendungsarten der Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid einzuschränken, besondere Maßnahmen zur Risikobegrenzung zum Schutz von Bienen vorzuschreiben und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die diese Wirkstoffe enthalten, auf gewerbliche Anwender zu beschränken. 

Diese Entscheidung, die auch die nachweislich unkritische insektizide Rapsbehandlung betrifft, ist aus Sicht des BVO mehr eine politisch motivierte als eine fachlich nachvollziehbare Entscheidung. Durch die Kalamitäten im Jahr 2008 konnten in Deutschland bis heute schon unheimlich viele neue Erkenntnisse gewonnen und auch angewendet werden, was umfangreiche Investitionen in Anlagentechnik und Know-How in der praktischen Saatgutaufbereitung nach sich zog. Insofern hat die deutsche Saatgutbranche hinsichtlich der Reduzierung von Beizstäuben und der Zertifizierung von Beizanlagen sicherlich eine Vorreiterrolle in Europa eingenommen. Dass entscheidende Aspekte dessen, was im Bereich der Risikominimierung in Deutschland, aber auch durch die European Seed Association (ESA) auf EU-Ebene bereits getan worden ist, nicht in die Entscheidung in Brüssel eingeflossen sind, ist frustrierend. Besorgniserregend sind auch die politischen Signale die daraus hervorgehen: Eine Verkleinerung der Wirkstoffpalette. Der BVO stuft alle Maßnahmen, die auf eine Verkleinerung der Wirkstoffpalette abzielen, als diskussionswürdig ein, solche Entscheidungen müssen fachlich untermauert und sehr gut überlegt sein. Denn erfahrungsgemäß lässt sich die Wirkstoffpalette nicht wunschgemäß erweitern. Bereits heute zeichnet sich eine zunehmende Resistenzproblematik ab und zwar nicht nur bei Insektiziden.

Als einer der sieben Gesellschafter hat der BVO den Grundstein für die Zertifizierung von Saatgutaufbereitungsanlagen mit der Gründung der SeedGuard GmbH im Mai 2011 gelegt. Bei Getreide mit seinen dezentralen Strukturen und der Vielzahl von Anlagen besteht seit 01. Januar 2014 die Möglichkeit für Aufbereitungsanlagen, sich über SeedGuard zertifizieren zu lassen.

Der BVO versteht SeedGuard als Teil des gesamten Qualitätssicherungssystems innerhalb der Wertschöpfungskette von Saatgut. Dazu gehört die Wertprüfung im Rahmen der Sortenzulassung durch das Bundessortenamt genauso wie die Beschaffenheitsprüfung bei der Saatgutanerkennung durch die Saatgutanerkennungsstellen der Länder. Was der BVO verfolgt, ist zukünftig sicherzustellen, dass Umwelt- und Anwenderfreundlichkeit der Beizung nachhaltig gesichert und perfektioniert werden. Angeschlossenen BVO-Mitgliedern empfehlen wir, in Zusammenarbeit mit einigen Fördermitgliedern des BVO, zur Eigenkontrolle der Beizqualität jährlich am BVO-Beizmonitoring teilzunehmen, um frühzeitig eventuellen Verbesserungsbedarf bei der Saatgutbehandlung zu identifizieren.

Neue Vermarktungsformen von Saatgetreide

Neue Vermarktungsformen von Saatgetreide bergen zusätzlichen logistischen Aufwand. So ist zunehmend die Vermarktung von Saatgetreide in Einheiten zu beobachten. Was bei Raps und Mais schon länger als alleinige Vermarktungsform etabliert ist, nahm seinen Anfang bei anderen Hybridgetreidearten wie Roggen und Gerste – Tendenz steigend. Problematisch aus Sicht des BVO ist hierbei nicht nur die unterschiedliche Definition einer Einheit sondern auch die enorme Anzahl an unterschiedlichen Verpackungsgrößen und -formen. Mal bedeutet laut Züchtervorgabe eine Einheit 1 Million keimfähige Körner, mal 1.2 Million keimfähige Körner, mal 900.000 Körner. Je nach Definition ist das Saatgut nach individueller Züchtervorgabe dann auch noch in unterschiedlich großen Packungen zu vertreiben. Mögliche Packungsgrößen sind beispielsweise 0.5 und 0.75 Einheiten, 1 Einheit oder auch 10 bzw. 20 Einheiten; Abweichungen von diesen vorgegebenen Packungsgrößen sind nicht gestattet. Dies führt jedoch dazu, dass je nach Keimfähigkeit und Tausendkorngewicht (TKG) für jede Partie unterschiedliche Gewichte in die Saatgutsäcke abgefüllt werden müssen. Gerade im Bereich der Absackung bis 50 kg ist das stellenweise eine enorme Herausforderung, weil nicht alle Absackanlagen hierauf eingestellt sind. Hier fordert der BVO eine entsprechende Harmonisierung auf Seiten der Züchter. Logistisch bewegen sich die VO-Firmen ohnehin schon auf einem sehr hohen Niveau – bezieht man noch den Aspekt mit ein, dass nicht wenige VO-Firmen zwischen 20 - 60 Sorten und mehr in ihrem Betrieb produzieren, gilt dies umso mehr.