Genome Editing: Bioökonomierat fordert neues EU-Gentechnikrecht

30.08.2018
Bioökonomierat

Der Europäische Gerichtshof stellte am 25. Juli 2018 klar: neue Produkte, die mit CRISPR und ähnlichen Technologien hergestellt werden, müssen die zeitaufwendige Zulassung des EU-Gentechnikrechts durchlaufen. Ungeachtet dessen, entwickeln sich die Genome-Editing-Technologien international rasant. Der Bioökonomierat legt eine differenzierte Bewertung der Technologien vor und appelliert an die Politik, das Gentechnikrecht zu modernisieren. Andernfalls bleibe Deutschland bei dieser „biologischen Revolution“ außen vor und werde auch die notwendige internationale Regulierung nicht mitgestalten.

Der Bioökonomierat ist davon überzeugt, dass Genome Editing bedeutende Innovationen in der Bioökonomie anstoßen wird. Prof. Christine Lang, Ko-Vorsitzende des Bioökonomierats, beobachtet einen Durchbruch der Technologien in Wissenschaft und Unternehmen: „Weltweit werden bereits heute neue Medikamente, klima-angepasste und widerstandsfähige Nutzpflanzen, gesundheitsfördernde Lebensmittel und umweltfreundliche Produktionsverfahren mit Hilfe von CRISPR und Co. entwickelt.“

Ihr Ko-Vorsitzender im Rat, Prof. Joachim von Braun, ergänzt: „Die Bioökonomie kann und muss maßgeblich zu den globalen Nachhaltigkeitszielen beitragen. Deutschland setzt sich für verbesserte Welternährung, Chancengleichheit, Klima- und Naturschutz ein. Der deutsche Beitrag wird vor allem in Innovationen liegen, die auch international zum Einsatz kommen.“ Die Lösung könne jedoch nicht in einer kompletten Freigabe der neuen Technologien liegen. Hierzu verweist das Gremium in seiner Stellungnahme auch auf Risiken einer zu rasanten oder unkontrollierten Ausbreitung. „Das EU-Gentechnikrecht kann den Chancen und Herausforderungen der Technologien in seiner jetzigen Form nicht gerecht werden. Wir benötigen eine an den Fortschritt angepasste Novellierung. Wichtig ist eine Regulierung, die zwischen Mutationen und Gentransfers unterscheidet und risikoorientierte Verfahren für die Zulassung und Freisetzung vorsieht“, bringt Prof. Christine Lang die Forderungen auf den Punkt.

In den neuen Ratsempfehlungen werden Leitlinien für die Rechtsnovellierung und konkrete Begleitmaßnahmen vorgeschlagen, insbesondere:

  • eine Gesetzgebung, die der Vielfalt der Anwendungen der neuen Technologien von einfachen Mutationen bis hin zu komplexen Genom-Editierungen und deren unterschiedlichen Risikobewertungen besser gerecht wird; beispielsweise durch abgestufte Genehmigungs- und Zulassungsverfahren für unterschiedliche Risikoklassen.
  • Behördliche Registrierung und Monitoring der guten Praxis bei kommerzieller und akademischer Anwendung von Genome-Editing-Technologien.
  • Mit Blick auf den internationalen Handel und globale Wertschöpfungsketten sind verpflichtende Produktkennzeichnungen nicht sinnvoll, da Veränderungen nicht immer wissenschaftlich-technisch nachweisbar bzw. nachprüfbar sind. Zur Förderung von Verbraucherinformation und Transparenz sollte die Infrastruktur für freiwillige Zertifizierungen (z. B. „gentechnikfrei“) gestärkt werden.
  • Öffentliche Forschungsförderung muss für Anwendungen von hoher gesellschaftlicher Relevanz verstärkt werden.
  • Ebenso bedarf es der Förderung von Begleitforschung, vor allem zu möglichen Auswirkungen auf die Artenvielfalt, aber auch zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen (z. B. Ethik, Patentierung).
  • Neue Dialogformate für einen konstruktiven Diskurs mit der Gesellschaft müssen entwickelt werden.
  • Der internationale Austausch und die Zusammenarbeit müssen verstärkt werden, um eine bessere Transparenz und Abstimmung von Regelwerken zu gewährleisten.